Ist der echt?

Vorarlberger Nachrichten, 04.08.2022

Mit „Frankenstein“ lösen sich beim Poligonale-Theaterfestival die Grenzen der Realität auf.

Hohenems Das mit Frankensteins Kreatur lief ja schon damals aus dem Ruder. Man erinnere sich: Viktor Frankenstein schaffte es, toten Stoffen Leben einzuhauchen. Vom Ergebnis war er allerdings selbst nicht ganz überzeugt. Vor allem an dem Punkt nicht mehr, als „die Kreatur“ zu morden begann. Heute stehen wir vor einer ganz ähnlichen Situation wie Dr. Frankenstein einst. Künstliche Intelligenz steht an der Grenze zur Selbständigkeit. Man schwankt zwischen Bewunderung und gruseligem Schauer. Nur, dass diese Frankenstein’schen Kreaturen Wirklichkeit sind. Und damit sind wir beim Poligonale-Festival in Hohenems angelangt, das derzeit im Innenhof der Hohenemser Volksschule Markt sein Zelt bzw. die Bühne aufgeschlagen hat. So spielt auch die Stadtkulisse bei diesem Freiluft-Theater-Event mit. Zu sehen gibt es eine „Frankenstein“-Neuinterpretation, und die hat es in sich.

Die Kernfragen

Was ist real? Ist Frankensteins Wesen ein Mensch und wenn nicht, was ist er dann? Der Vorarlberger Autor Thomas Welte hat mit seiner Interpretation des Stoffes die richtigen Fragen gestellt. Frei von der ursprünglichen Handlung nimmt er sich die Kernfragen zur Brust und konstruiert daraus eine Horror- Schauer-Komödie, die ganz ohne Worte, dafür mit feinen Slapstick-Einlagen auskommt. Das gelingt natürlich auch besonders durch das bis an die Akrobatik reichende Spiel von Guylaine Hemmer und Katrin Jaehne und die perfekt abgestimmte Live-Akustik von Bernd Satzinger. Gestartet wird dabei ganz klassisch. Frankenstein erschafft ein Wesen. Das imitiert anfangs brav seinen Schöpfer. Das Problem ist nur, das Wesen hat ungeheure Kräfte. Also muss es weg und so stellt sich die Frage, wie man einen „Gegner“ in den Griff bekommt, dem man mittlerweile unterlegen ist? Dabei kommt es zu sehr witzigen Szenen wie jener, als „die Kreatur auf Abwegen“ einen Paketzusteller auf seiner Dienstfahrt begleitet. Aber auch der Paketmann muss dran glauben. Die Umarmung des Wesens war zu heftig.

Versöhnung als Lösung

Wer hat Anspruch auf Realität, scheint Thomas Weltes Stück zu fragen. Die Lösung liegt allein in der Versöhnung der beiden Welten und so endet das Stück auch in der angedeuteten Auflösung von real und virtuell. Das Poligonale-Festival greift mit seinem „Mixed Reality“-Leitthema brandaktuelle Themen auf und überzeugt mit seinem „Frankenstein“. Das ist gut gemachtes Theater. Bis hin zum gruseligen Schauer, der am Ende bleibt. Wer das Spiel mit den Welten einmal selbst ausprobieren will, der hat direkt bei der Poligonale, aber auch beim Poolbar-Festival Gelegenheit dazu. Für „The Conversation“, ein 15-Minuten- Stück der Poligonale, kann jede und jeder nämlich selbst in virtuelle Wirklichkeiten eintauchen. Auch ein spannendes, realitätsveränderndes Unternehmen.

 

Weitere Vorstellungen von „Frankenstein“ noch bis 14. August, jeweils 20.30 Uhr, Hof der Volksschule Markt, Hohenems. www.poligonale.at.