Große Töchter. Angelika Drnek, Neue Vorarlberger Tageszeitung, 1.4.2014

Barbara Herold und Maria Fliri rollen mit ihrem neuen Theaterstück „Große Töchter“ den Casus Bundeshymne auf – und lieferten damit am vergangenen Sonntagabend im Alten Hallenbad in Feldkirch eine leidenschaftliche Rechtfertigung für die Aufnahme der Töchter in den Hymnentext.

Gleich zu Beginn bekommen die damals involvierten Politiker und im Internet kommentierenden User ihr Fett ab, denn ihre diversen Äußerungen zum Änderungsantrag der Hymne werden per Video eingeblendet. Da sehen naturgemäß manche der Zitierten nicht gut aus. Am originellsten noch der Vorschlag, „Land der Dome“ mit „Dominas“ zu gendern.

Nach diesem Einblick in die österreichische Öffentlichkeit, in der Diskussionskultur und -unkultur oft sehr nahe beieinanderliegen, bringen Schauspielerin Maria Fliri und ihr Kollege Peter Bocek acht Frauenporträts – von Bertha von Suttner über Augusta Maria Trapp bis Ute Bock – auf die Bühne. Gekleidet in rot-weiß-rote Skianzüge und ausgestattet mit zahlreichen Requisiten wechseln die beiden dutzende Male die Rollen und Positionen. Erzählt werden die Lebens- und Leistungsgeschichten der großen Töchter. Nachdem Regisseurin Herold auf szenische Verschränkungen zwischen den einzelnen Biografien verzichtet, entwickelt der Abend einen gewissen Revue-Charakter. Während bei manchen Figuren die lehrhafte Erzählart überwiegt (Bertha von Suttner, Margarete Schütte-Lihotzky), erwecken Fliri und Bocek andere Figuren von der ersten Sekunde an zum Leben, ohne die Moralkeule zu schwingen.

Spezies Gutmensch

So beispielsweise bei Hedwig Eva Maria Tiesler, besser bekannt als Hedy Lamarr, Schauspielstar der 30er- und 40er-Jahre. Dass sie nebenbei noch gemeinsam mit dem Musiker Georges Antheil das Frequenzsprungverfahren entwickelte, mag zwar überraschen, aber Fliri flötet den Satz „Ach, wir nannten es Frequency-Hopping!“ so charmant-betörend ins Publikum, dass man diese noch heute genutzte Erfindung sofort als das Selbstverständlichste in Lamarrs Biografie betrachtet.

Witz entsteht auch, wenn Bocek und Fliri die Möglichkeit haben, ihre Figuren nicht auf Angehörige der Spezies Gutmensch zu reduzieren, sondern die Freiheit haben, sich ein wenig über sie lustig zu machen – wie bei Erik Schinegger, der als Erika Schinegger geboren wurde und wegen eines medizinischen Missverständnisses 18 Jahre lang als Frau leben musste.

Bocek und Fliri lassen Schinegger in grausamst authentischem Kärntnerisch seine Geschichte erzählen und Fliri stellt am Schluss die Frage aller Fragen, mit der sie die gesamte Dramatik der Geschichte von der Bühne fegt: „Und, wie groß ist er denn nun wirklich?“

Das gendermäßig völlig korrekt ausgewogene (50:50) und überzeugende Schauspielteam präsentiert zwischen den rot-weiß-roten Teppichrollen (Ausstattung Caro Stark) einen Reigen spannender weiblich-österreichischer Lebensgeschichten und vermag damit über weite Strecken gekonnt zu unterhalten. Nur die auf Video festgehaltene Straßenbefragung („Wer ist für Sie eine große Tochter?“) ganz am Schluss ist dann ein wenig zu viel des Guten – im besten Sinne des Wortes.